Liebe Bürgerinnen und Bürger, liebe Gäste,
die ruhigeren Tage zum Ende eines Jahres bieten sich an, dass man sich einmal wieder die Zeit nimmt um auf die jüngere Vergangenheit zurückzublicken. Das tun nicht nur die großen TV-Sender in ihren Jahresrückblicken, sondern auch viele Privatpersonen unter uns. Schöne Erinnerungen kommen beim Innehalten auf!
Und man fragt sich dabei unweigerlich aber auch: Habe ich mir für das Richtige und Wichtige genug Zeit genommen? Lief alles so, wie ich es mir so vorgestellt hat? Könnte man die Zeit zurückdrehen, was hätte anders laufen können oder müssen?
2022 war ein weiteres Jahr der Ausnahmesituationen, das ein Zurruhekommen und die Rückkehr zur Normalität verhindern sollte: Krieg in Europa, ein nicht abreißender Flüchtlingsstrom und die daraus resultierende hohe Inflation wie auch die Energiekrise, Fachkräftemangel und anhaltende Lieferkettenunterbrechungen trübten bei vielen die Freude auf eine unbeschwerte „Nachcoronazeit“.
Zum Wort des Jahres 2022 wurde „Zeitenwende“ gewählt. Zeitenwende – ein Wort das an sich zwar nicht unbedingt negativ behaftet sein muss. Hat ein grundlegender Wandel doch immer auch Positives. Und dennoch habe ich es beim ersten Hören nach dessen Wahl sofort mit etwas Negativem verbunden, obwohl mir der Zusammenhang seiner Verwendung und letztendlichen Kür bis zu diesem Zeitpunkt nicht präsent war. Vermutlich lag das daran, dass wie eingangs erwähnt ein sehr dominanter Anteil der täglich auf einen einströmenden Nachrichten im vergangenen Jahr erneut nicht positiv war. Das von Bundeskanzler Olaf Scholz geprägte Wort soll deshalb nicht MEIN Wort des Jahres 2022 sein. Sehr präsent und für mich entscheidend in den Vordergrund gerückt war im letzten Jahr etwas anders: Die Solidarität der Menschen untereinander!
Das Ellenbogendenken, das während Corona deutlich zugenommen hatte, ist abgeflaut. Viele ruderten zurück und besannen sich auf die guten Werte, die seit Kindesbeinen in ihnen steckten.
Denn – und das wusste schon Albert Schweitzer zu sagen: Das Entscheidende in unserem Leben sind nicht die Ereignisse, sondern das, was wir daraus machen.
Dieser Gedanke hat mich schon mein Leben lang begleitet, kam mir im vergangenen Jahr aber noch öfter in den Sinn als bisher:
Als wir im Frühjahr 2022 erstmals seit Ende des Zweiten Weltkriegs wieder einen Kriegsbeginn auf europäischem Boden miterleben mussten, sahen sich unsere Bürgerinnen und Bürger wie auch die Verwaltung einer stark anwachsenden Flüchtlingswelle gegenüberstehen. Die Kreßberghalle in Marktlustenau diente in dieser Zeit für rund zwei Monate als Notunterkunft. Wir rückten alle als Gemeinschaft stärker zusammen und auch hier vor Ort zeigten viele Kreßbergerinnen und Kreßberger große Solidarität mit den Menschen aus der Ukraine, die aufgrund des russischen Angriffskriegs unverschuldet in Not geraten waren. Ganz egal ob durch die Meldung freien Wohnraums, die Betreuungsangebote vor Ort oder Sachspenden – die Hilfsangebote waren überwältigend, was mich gefreut hat und wofür ich sehr dankbar bin. Und so blicke ich hinsichtlich noch ankommender schutzsuchender Menschen zuversichtlich ins Jahr 2023: Gemeinsam haben wir nämlich beschlossen, den Ausbau des Dachgeschosses des Geschäfts- und Ärztehauses in Waldtann als beste Option einer würdigen Unterbringung Gefüchteter weiter zu verfolgen und im kommenden Jahr anzugehen.
Solidarität mit den Mitmenschen haben wir im vergangenen Jahr überall auf der Welt erlebt: Besonders in Erinnerung geblieben ist mir dabei auch der Fall der 22-jährigen iranisch-kurdischen Mahsa Amini, die von der Sittenpolizei in Teheran wegen eines fehlenden Kopftuchs festgenommen worden war und kurz darauf unter mysteriösen Umständen im Krankenhaus verstarb. Monatelang haben Irakerinnen und Iraker und neben ihnen Menschen auf der ganzen Welt in der Folge gegen das totalitäre Regime und seine harte Vorgehensweise gegen die eigene Bevölkerung demonstriert.
Auch in Afghanistan solidarisierten sich die Menschen um gemeinsam für die Rechte von Frauen zu kämpfen, denen erst letzten Monat zu allen bestehenden Einschränkungen durch die Taliban auch noch die Möglichkeit zu studieren genommen wurde. Sie setzen damit ein wichtiges Zeichen mit dem Ziel, dem aktuellen politischen System in diesen Ländern eine Absage zu erteilen und einen grundlegenden Wandel in der Gesellschaft herbeizuführen.
Nun gibt es nicht nur extreme politische Lagen, die jedem sofort ins Auge stechen: Das schwierige ist doch, rechtzeitig zu erkennen, wenn sich ein System in die falsche Richtung entwickelt oder ein Einzelner zu viel Macht erhält und diese missbraucht und dann noch erfolgreich Widerstand leisten zu können. Wann ist da der richtige Zeitpunkt? Diese Frage stelle ich mir nach jeder Wahl auf nationaler wie internationaler Ebene, wenn wieder rechte oder linke Parteien an Stimmen dazugewonnen haben oder die Wahl sogar ganz für sich entscheiden konnten. Auf die leichte Schulter nehmen dürfen wir solche Wahlsiege nicht. Denn jegliche Form von Extremismus – jeder Links– oder Rechtsruck – jedes Abdriften von der bürgerlichen Mitte gefährdet unsere wohlgeschätzte Demokratie für die wir sehr dankbar sein können. Bedeutet sie doch ein hohes Maß an Freiheit und Sicherheit für jeden Einzelnen von uns.
Ich möchte daher auch im Kleinen hier bei uns vor Ort dazu aufrufen, Mitmenschen Einhalt zu gebieten, zu widersprechen, wenn Extreme verherrlicht oder diskriminierende Ansichten klein geredet werden, wenn es an Respekt untereinander mangelt oder wenn Mitbürgerinnen und Mitbürger gar Hass oder Hetze erleben müssen.
Eine weitere Nachricht im Zusammenhang mit gelebter Solidarität hat mich positiv überrascht und wie ich finde in den Medien zu wenig Erwähnung erfunden: Die Naturkatastrophe 2021 im Ahrtal hat nicht nur bei uns in Deutschland große Hilfsbereitschaft ausgelöst. Die europäische Völkerfamilie hat sie geeint und so wurden im vergangenen Oktober auf Vorschlag der EU-Kommission 612 Millionen Euro der insgesamt 718,5 Millionen Euro bereitgestellten Mittel aus dem EU-Solidaritätsfonds für Naturkatastrophen für die Fluthilfe im Ahrtal freigegeben.
Froh bin ich darüber, dass sich die Bundespolitik ganz besonders solidarisch mit ihren Bürgerinnen und Bürgern zeigen wollte und bei der Suche nach geeigneten Mitteln um die finanziellen Auswirkungen der stark gestiegenen Energiekosten für die Menschen und die Wirtschaft in der Folge des Krieges etwas abzumildern, nicht müde geworden ist. Drei Entlastungspakete wurden auf den Weg gebracht. Mit dem Abbau der kalten Progression sollen wir zum einen vor inflationsbedingt höherer Besteuerung geschützt werden. Ein wirtschaftlicher Abwehrschirm soll zum anderen die steigenden Preise und die schwersten Folgen für Verbraucherinnen und Verbraucher sowie Unternehmen abfedern. Bekanntester Bestandteil ist sicherlich die Einführung einer Gas- und Wärmepreisbremse sowie einer Strompreisbremse, die für viele unter uns dringend notwendig geworden ist.
Da eine Bürgermeisterin berufsbedingt in besonderem Maße immer die eigene Gemeindegesellschaft im Blick hat, möchte ich es bei dieser kurzen Erinnerung an gelebte Solidarität auf internationaler und nationaler Ebene belassen und zurückkommen auf unsere kleine aber feine „Einheit“ hier in Kreßberg:
Die Ebene der Gemeinden, das ist der Ort, an dem man selbst etwas für seine Mitmenschen tun kann. Auf der untersten politischen Ebene sind wir – der Gemeinderat, die Verwaltung und ich – uns dessen auch im vergangenen Jahr bewusst gewesen. Der Solidaritätsgedanke war bei jeder Entscheidung präsent: Wir haben zusammengehalten und nach den besten Lösungen für alle gesucht.
So arbeiten wir seit 2022 beispielsweise auf Kreisebene gemeinsam an einer Klimaschutzstrategie. Die Reaktionen unseres Planeten auf die Angriffe des Menschen auf die Natur sind spürbar bei uns angekommen: Wetterlagen kennen immer häufiger Extreme. Der Sommer 2022 war heiß und trocken und zu Silvester und Neujahr hatten wir Rekordtemperaturen von 15 Grad plus, die uns wachrütteln sollten. Meiner- nicht empirischen - Beobachtung zu Folge war jedoch das Gegenteil am Altjahrabend wieder der Fall. Nach einer Zwangspause wegen Corona war der Himmel stundenlang bunt erhellt, die Sicht bedingt durch Feinstaub nur wenige Meter weit möglich und das laute Krachen der Böller erinnerte an die Berichterstattung aus den Kriegsregionen dieser Erde. Es ist ganzjährig Zeit uns solidarisch mit unseren Nachfolgegenerationen und dem Klima zu zeigen und nicht an einzelnen Tagen des Jahres davon solche groben Ausnahmen zu machen.
Einig waren wir uns im Gemeinderat auch beim Thema Kindergartenneubau in Waldtann. Den kleinsten Gemeindemitgliedern soll es an nichts mangeln. Um die Benutzungsgebühren für diese und alle anderen Gemeindeeinrichtung auch künftig subventionieren zu können, haben wir auch beschlossen, an der Ausweisung eines Interkommunalen Gewerbegebiets festzuhalten und weiterzuarbeiten und die später daraus resultierenden Gewerbesteuererträge für unsere Einrichtungen zu nutzen.
Froh waren wir auch darüber, wieder eine kleine Anzahl an Bauplätzen erschlossen zu haben. Das wollen wir in den kommenden Jahren fortsetzen. Dabei werden wir allerdings im Blick haben, dass der Flächenverbrauch nicht so weitergehen kann wie bisher. Die Bauplätze werden kleiner werden und Mehrfamilienhäuser werden stärkerer Bestandteil künftiger Planungen sein. Es wird ein Kompromiss zwischen dem gewohnten dörflichen Erscheinungsbild der ein- bis zweigeschossigen Wohnhäuser hin zu höheren Gebäuden gefragt sein und es wird sich herausstellen, dass sich nicht mehr jede Familie ein eigenes Einfamilienhaus leisten können wird.
Besonders stolz bin ich darauf, dass die Menschen hier in Kreßberg füreinander einstehen und sich 2022 nach der Coronaauszeit auch wieder vollumfänglich für die Gemeinschaft einsetzen konnten. Das fiel im Zusammenhang mit den vielen aktiven Vereinen und ihren Ehrenamtlichen in gewohnter Weise besonders auf. Sei es als Trainer oder Funktionär oder bei der Organisation von Vereinsfesten, die das Gemeindeleben insgesamt bereichern und zu einem lebendigen Miteinander beitrugen.
Insgesamt ziehe ich rückblickend ein positives Fazit zum Jahr 2022 und blicke optimistisch ins noch junge Jahr 2023.
In 2023 erwarten uns viele bereits bekannte Herausforderungen, wie die Millionenprojekte Sanierung der Sammelkläranlage in Riegelbach und der Kindergartenneubau in Waldtann. Einen nicht zu unterschätzenden Kraftakt wird es auch bedeuten, freiwerdende Stellen mit Fachkräften nachzubesetzen. Viel Wissen wird dabei in der Verwaltung, dem Kindergarten und im Bauhof durch den Eintritt der Stelleninhaber in den Ruhestand verloren gehen. Und bei der Rekrutierung von Fachpersonal stehen wir bekanntermaßen in einer angespannten Konkurrenzsituation mit unseren Nachbargemeinden.
Mit Spannung dürfen unsere Bürgerinnen und Bürger die Einweihung der sanierten Halle in Haselhof erwarten.
Investitionen in die Möblierung und EDV unserer Schule, in die Technik unseres Freibads und die Einführung des Digitalfunks bei der Feuerwehr werden uns in den kommenden beiden Jahren begleiten und sollen die Gemeinde zukunftssicher machen. Bei der Verteilung vorhandener Haushaltsmittel werden wir wie bisher Kompromisse schließen und die Wünsche und Anforderungen aller im Blick haben.
Liebe Gäste, wir leben in einer Zeit des Umbruchs. Vieles, was vertraut ist, verändert sich. Wir brauchen deshalb weiterhin Menschen mit starkem Gemeinsinn, die für den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft sorgen. Und wenn wir ehrlich sind ist es denn nicht so, dass sich ein WIR besser anfühlt als ein ICH?
Zum Schluss meiner Ansprache danke ich allen ehrenamtlich Tätigen für ihre wichtige und unverzichtbare Arbeit zugunsten der Gemeinde Kreßberg, in der Freiwilligen Feuerwehr Kreßberg, in der Schule am Kreßberg, in den Kirchengemeinden und in unseren lebendigen Vereinen.
Ich danke unseren Gemeinderätinnen und Gemeinderäten für ihre engagierte Arbeit.
Ein besonderer Dank geht an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Gemeinde Kreßberg. Sie leisten hervorragende Arbeit im Interesse unserer Gemeinde Kreßberg.
Liebe Gäste, sehr geehrte Damen und Herren, ich danke Ihnen allen, an welcher Position, in welchem Amt oder bei welcher Tätigkeit Sie auch immer aktiv sind, dass Sie unsere Gemeinde und unser Gemeinwesen im vergangenen Jahr unterstützt haben.
Ich danke unseren Abgeordneten und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der übergeordneten Behörden für die Unterstützung unserer Gemeinde. Ich bedanke mich auch bei unseren Nachbarkommunen für die angenehme und konstruktive Zusammenarbeit.
Voller Vorfreude auf die Zusammenarbeit mit Ihnen, den Gemeindemitgliedern und den Unterstützern unserer Gemeinde, blicke ich deshalb auf das noch junge Jahr 2023 – das Jahr in dem wir 50 Jahre Kreßberg feiern werden und wünsche Ihnen ein gutes und erfolgreiches Jahr 2023 mit viel Gesundheit und dem notwendigen Glück.